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Abstrakte Kunst


There's a ray of light
Shinin' down on me
After all this time
I waited patiently

Just for you to come
Right into my life
But I finally found
Love is on my side

And now things ain't the same
Ever since you came
Now my life's just begun
Because you're the one

I'm truly yours
You're on my mind
I think of you
'most all the time

Say can it be
That I'm in love
When you are all
I'm thinkin' of

You can make me smile
When I'm feeling down
You give me the strength
To turn it all around

You're the world to me
You can make me fly
You're the face I see
When I close my eyes

Do you know that you are
Deep inside my heart
No more clouds hide the sun
Because you're the one

I'm truly yours
You're on my mind
I think of you
'most all the time

(aus: Stephanie D. - "Truly yours")





Elaine

Alle Bilder in der Ausstellung "Abstrakte Kunst" waren in Schwarzweiß gehalten, teils mit ausgerissenen Formen, teils grob gepinselt. Mehrere eigens beauftragte Künstler hatten für diese Ausstellung gearbeitet. Sie fand in einem ehemaligen Fabrikgebäude statt. Die Wände der Flure und Hallen, in denen die Bilder hingen, waren fünf Meter hoch und weiß gekalkt. Es gab auch Skulpturen zu sehen; sie standen in der Mitte der Hallen und hatten die Größe von Menschen. Ihre verfremdeten Gestalten waren ebenfalls schwarzweiß. Auf dem Boden einer Halle gab es ein Schachbrett; die Figuren waren gleichfalls groß wie Menschen, aber entweder schwarz oder weiß. Das geheimnisvollste Kunstwerk war ein Ganzkörperspiegel, dem man Fragen stellen konnte. Er war mit einem Computer verschaltet, der die Antworten gab. Der Spiegel hing in einem eigenen, durch einen schwarzen Vorhang abgeteilten Raum, und es durfte immer nur ein einziger Besucher hineingehen. So kam es, daß die Besucher lange warten mußten, ehe sie den Spiegel befragen konnten. Elaine wollte nicht warten und besuchte die Ausstellung an einem Samstagmorgen, gleich nach Öffnung der Tore.
"Spiegel, zeig' mir den, der für mich bestimmt ist", sagte sie.
Der Spiegel wurde neblig, und als sich der Nebel lichtete, sah Elaine einen Haufen Metallschrott.
"Das versuche ich lieber nochmal", sagte sie. "Spiegel, zeig' mir den, der für mich bestimmt ist."
Abermals erschien der Schrotthaufen.
Und so oft Elaine ihre Frage stellte, immer sah sie nur diesen Schrotthaufen.
Schließlich versuchte sie es mit einer anderen Frage:
"Spiegel, zeige mir, wie weit ich es beruflich bringen werde."
Der Spiegel zeigte einen nicht endenden Regen aus Silbermünzen.
Als Nächstes fragte Elaine:
"Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?"
Der Spiegel enthüllte ein Display, auf dem war zu lesen:
"Schönheit ist keine Tatsache."
"Und der Schrotthaufen, ist das eine Tatsache?" fragte Elaine.
"Ja", stand auf dem Display.
"Aber man kann sich doch nicht in einen Schrotthaufen verlieben!"
"Hast du eine Ahnung", stand auf dem Display.




Heiligskreuz

Elaine war mit ihrer Stelle zufrieden, hatte aber davon gehört, daß man in einem anderen Haus eine weitaus steilere Karriere machen konnte. Es war eine angesehene neurologische Klinik, und dorthin war sie zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden. Sie wollte sich diese Möglichkeit nicht entgehen lassen. Der Professor, der sie empfing, berichtete vom Renommee seines Hauses. Nach dem Gespräch bat er Elaine, sich auf den Stationen umzusehen und sich die Funktionsabteilung zeigen zu lassen. Ihr Rundgang endete in der Cafeteria. Sie trank Milchkaffee zwischen gewaltigen Yuccapalmen, Fensterblättern und Dieffenbachien in Hydrokulturen.
"Glaube, Liebe, Hoffnung", sagte jemand.
"Was?" fragte Elaine und sah vor sich einen Mann in seltsamer Garderobe - weit, weiß, aus futuristischen Knitterstoffen.
Er hatte ausrasierte Haare und war groß und kräftig gebaut, die Augen war hellgrau.
"Soso", dachte Elaine. "Dem Spiegel werde ich was erzählen."
"Es ist dein Halsband", erklärte der Fremde.
"Ach ja", fiel ihr ein. "Das Samthalsband. An fast jedem Halsband habe ich Kreuz, Herz und Anker. An meiner Uhr auch. Glaube, Liebe, Hoffnung ..."
Sie zeigte ihm ihre Uhr, die hatte ein Armband aus Edelstahl, und daran hingen Kreuz, Herz und Anker.
"Cato heiße ich, und ich bin Silberschmied", sagte der Fremde.
"Ich heiße Elaine und war hier zu einem Bewerbungsgespräch."
"Und?"
"Weißt du ... alles ist hier sehr schick, sehr luxuriös, aber genau das gibt mir zu denken ... es ist irgendwie zu schön ... zu schön, um wahr zu sein."
"Ich habe hier einen Freund besucht", erzählte Cato.
"Wenn du Silberschmied bist, kannst du mir dann ein Kreuzchen machen?" fragte Elaine. "Ich habe ein Collier mit Herz und Anker, da fehlt das Kreuz, stattdessen gab es nur einen Glitzerstein."
"Das kann ich machen."
Cato setzte sich mit einem Espresso zu ihr.
Als Elaine zum Bad ging und sich nachschminken wollte, begegnete ihr im Flur der Professor. Sie sagte ihm "Hallo" und lächelte freundlich. Er sagte auch "Hallo" und lächelte, aber sein Lächeln wirkte falsch und künstlich.
Auf den Vorplatz der Klinik schien das weiße Licht der Mittagssonne. Cato und Elaine stellten fest, daß sie nebeneinander geparkt hatten.
"Wollen wir noch ein Stück bergauf fahren?" fragte Cato.
"Zeit habe ich", antwortete Elaine. "Nehmen wir deinen oder meinen?"
"Ach, von mir aus - fahre ich."
Silber war eine Auto-Modefarbe. Die Autos von Cato und Elaine waren beide silbern, nur daß Elaine Mercedes fuhr und Cato Audi. Mit offenem Verdeck fuhren sie in Catos Audi bergan. Die Klinik lag auf halber Höhe und war weit und breit das einzige Gebäude. Die Landschaft hatte etwas Bizarres, etwas Unirdisches; Elaine wurde erst bei längerem Hinsehen klar, daß die Hänge, die sie hinauffuhren, aus aufgeschüttetem Müll bestanden, zerkleinertem Unrat und Asche.
"Ist das die Kippe der Metropole?" fragte Elaine.
"Ja, das ist die Zentraldeponie."
"Hu, das sind ja steile Serpentinen ..."
"Das wird gleich noch steiler."
"Wenn wir nur nicht abstürzen."
"Ach, was."
"Weißt du, selbst wenn mir der Professor die Stelle anbieten würde, ich würde 'nein' sagen. Ich würde tatsächlich 'nein' sagen."
"Warum?"
"Weil der Professor nicht ganz echt ist."
Cato parkte den Wagen dicht unterhalb des höchsten Gipfels. Die letzten Meter stieg Elaine zu Fuß hinauf. Sie schaute weit übers Land, um sich herum schier endlose, steil abfallende Hänge aus zerkleinertem Unrat und Asche. Tief drunten sah sie die Klinik, ein weiß schimmerndes Gebilde auf einer Plattform am Hang. In der Ferne lag die Metropole, halb versunken im Dunst.
"Hat dieser Gipfel einen Namen?" fragte Elaine.
"Er heißt 'Heiligskreuz'."
"Seltsam, daß es gar kein Gipfelkreuz gibt, wenn er so heißt."
"Vielleicht schütten die hier ja noch was auf", meinte Cato, "und da hat es sich noch nicht gelohnt, ein Kreuz hinzustellen."
"Das Müllgebirge hat so steile Hänge und ist so seltsam geformt ... es sieht mehr wie abstrakte Kunst aus als wie ein Gebirge."




Cato

Cato hatte eine spartanisch-designerhaft eingerichtete Wohnung mit hohen Wänden und grau lasierten Dielenbrettern. Die wenigen Möbel erinnerten an die Einrichtung historischer Fabrikhallen. Cato lud Elaine mehrmals in der Woche zu sich ein. Die Treffen waren innig, Catos Verlangen nach ihr war offensichtlich, doch daß er sie liebte, sagte er nie.
"Cato, hast du auch den Spiegel in der Kunstausstellung befragt?" erkundigte sich Elaine.
"Ja, das habe ich."
"Und, hast du ihn gefragt, wer für dich bestimmt ist?"
"Ja, das habe ich."
"Und was hat der Spiegel dir gezeigt?"
"Das gibt's nicht!" entgegnete Cato und schüttelte heftig den Kopf. "Das erfährt niemand."
Er sah sie mit einem tiefgründigen Blick an, dessen er sich vielleicht selbst nicht bewußt war.
"Liebt Cato mich?" fragte Elaine den Spiegel.
"Ja", war auf dem Display zu lesen. "Davon hast du aber nichts."
"Er hat mir aber das Kreuzchen geschmiedet."
"Ja, und?" erschien auf dem Display.




Die Journalistin

"Schon wieder so ein Unfall", sagte die Journalistin. "Leise rieselt der Schnee, es ist glatt. Ein dreiunddreißigjähriger Silberschmied heizt mit seinem Audi über die Serpentinen am Heiligskreuz, voller Koks und Alkohol, und dann verreißt er das Lenkrad und kracht den Abhang 'runter. Die Feuerwehr hat sich gefragt, wie sie in dem Schrotthaufen noch einen Menschen finden sollen."
"Und der Hintergrund hat es in sich", ergänzte ihr Kollege. "Das paßt in unsere Rubrik 'Geschichten, die das Leben schrieb'. Der Silberschmied hat schon lange gekokst, seine Firma wurde nur durch Schulden zusammengehalten, und er hatte drei Liaisons gleichzeitig ... wie er es geschafft hat, jeder zu verheimlichen, daß er noch zwei andere hat, bleibt ein Rätsel!"
"Meinst du, es war Selbstmord?"
"Na, ich weiß nicht ... ob man sich nicht einen schöneren Tod vorstellen kann, als ausgerechnet den höchsten Gipfel der Zentraldeponie 'runterzustürzen ..."
"Asche zu Asche, Müll zu Müll, he?"




Der Bestatter

Die Angehörigen wünschten sich, daß Cato aufgebahrt wurde, der Familientradition entsprechend.
"Und wie sollen wir aus diesem Schrotthaufen einen Menschen zusammenbauen?" stöhnte der Bestatter, als die Angehörigen fort waren.
"Das ist schon kein Schrotthaufen mehr, das ist abstrakte Kunst", meinte sein Gehilfe.
"Ästhetisch ist das aber nicht", fand der Bestatter.
"Abstrakte Kunst ist ja auch nicht immer ästhetisch", sagte der Gehilfe.
"Dann laß' uns mal aus den Resten eines Menschen einen Menschen basteln", seufzte der Bestatter.
"Irgendwie komme ich mir vor wie Frankenstein", sagte der Gehilfe.
Der Bestatter konnte die Angehörigen schließlich davon überzeugen, Cato nicht aufzubahren - aus Gründen der Pietät.




Abstrakte Kunst

Drei Wochen waren vergangen seit Catos Einäscherung. Elaine fragte den Spiegel:
"Hat Cato nur mich geliebt? Oder hat er die beiden anderen auch geliebt?"
"Nur dich", erschien auf dem Display. "Aber davon hast du nichts."
"Hat er vor mir schon mal jemanden geliebt?"
"Nein", erschien auf dem Display. "Aber davon hast du nichts."
"Zeige mir den Mann, der mir bestimmt ist."
Der Spiegel blieb leer.
"Was ist der Unterschied zwischen dem Professor und Cato?" fragte Elaine. "Warum liebe ich Cato, und den Professor kann ich nicht ausstehen? Sie sind doch beide Lügner."
"Cato hat dich geliebt", erschien auf dem Display. "Der Professor liebt niemanden, der kann niemanden lieben."
"Mich schaudert. Es ist gut, daß ich mich gegen die Stelle bei diesem Professor entschieden habe und bei der Stelle geblieben bin, die ich schon hatte. Wie wird denn jetzt meine berufliche Zukunft?"
Aus dem Spiegel prasselten Silbermünzen auf den Estrich. Elaine sammelte sie in ihr leinenes Halstuch, dankte artig und ging.
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